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Behandlungsfehlerhaftung und Schweigepflicht bei Ärzten und Heilpraktikern Was Sie wissen sollten! von Rechtsanwältin Moina Beyer-Jupe Juristen
Es ist eine leider nicht zu leugnende Tatsache, dass der Mensch, der handelt, auch Fehler macht; Vollkommenheit ist uns Irdischen nicht gegeben. Auch Ärzte machen Fehler, diese nennen sich dann Diagnose-, Behandlungs-, Dokumentations- oder auch Aufklärungsfehler. Insofern handelt es sich bei Ärzten gerade nicht um "Halbgötter in weiß", sondern auch sie unterliegen der gewöhnlichen menschlichen Fehlerquote.
Aber auch ohne vorwerfbares ärztliches Tun kann eine Krankenbehandlung manchmal einfach schlecht laufen. Dafür ist die Natur zu individuell, zu eigenwillig, in ihren Abläufen nicht vorhersehbar, und heilendes Tun hat nun einmal mit der Biologie von Körper und Geist zu tun. Bei diesen sogenannten schicksalhaften, negativen Verläufen trifft den Arzt oder Heilpraktiker keinen Schuldvorwurf und keine Haftung.
Aber wann muss sich der Arzt oder Heilpraktiker den Vorwurf eines Fehlers gefallen lassen, ohne dass er sich auf einen schicksalhaften, nicht beeinflussbaren Verlauf berufen könnte ? Wenn ein ärztlicher Behandlungsfehler vorliegt, der definiert wird als ein Abweichen vom anerkannten medizinischen Standard der jeweiligen Fachgruppe. D.H., ein Augenarzt muss so diagnostizieren und therapieren, wie es von einem durchschnittlichen Augenarzt, der sich auf der Höhe seiner Zeit bewegt, erwartet werden kann. Ein Heilpraktiker muss sich so verhalten, wie ein durchschnittlich gebildeter Heilpraktiker auf dem Stand der Erkenntnisse seiner Profession handeln würde. Dazu gehört bei beiden auch, eigene Grenzen zu sehen und für die Selbsteinschätzung eines Heilpraktikers, wann er fachmedizinisches Gebiet betritt, das er nicht mehr beherrscht und deshalb an einen entsprechend qualifizierten Arzt weiterverweisen muss.
Abzustellen ist dabei nicht auf das individuelle Können, sondern auf einen verallgemeinerten Maßstab. Hieraus ergibt sich aber auch, dass, je höher die Qualifikation, bzw. die fachspezifische Ausbildung der Vergleichsgruppe ist, desto mehr der Patient auch vom Behandler an Fachkönnen verlangen darf. D. h., vom Kardiologen kann mehr erwartet werden im Hinblick auf spezifische Herzerkrankungen als vom Hausarzt, von diesem wiederum mehr als vom Heilpraktiker. Jeder garantiert nur das Wissen seines Standes.
Für ärztliche Heiler gibt es schon eine lange Tradition, wie bei Fehlern zu verfahren ist, bzw. gibt es durch die Rechtsprechung lange ausformulierte ärztliche Pflichten. Z. B., dass über die Risiken eines Eingriffs aufgeklärt werden muss, alle wesentlichen ärztlichen Maßnahmen zu dokumentieren sind, ärztliches Hilfspersonal überwacht werden muss. Diese Forderungen haben inzwischen längst Eingang in die ärztlichen Berufsordnungen gefunden. Ebenso ist in den Berufsordnungen eine Pflicht zur ärztlichen Fortbildung statuiert.
Ärztliche Kernpflicht schon von Alters her ist auch das ärztliche Schweigegebot. Es ist nicht nur in allen ärztlichen Berufsordnungen verankert, sondern darüber hinaus strafrechtlich geschützt. Das gilt allerdings nicht nur für Ärzte, sondern für alle Angehörigen von Heilberufen (Schwestern, Krankengymnasten, Hebammen...) - nicht jedoch für Heilpraktiker. Denn die besondere Garantenstellung für den Geheimnisschutz von Patienten knüpft an eine staatlich geregelte Ausbildung für den betreffenden Heilberuf, welche bei Heilpraktikern nicht vorgesehen ist.
Ärzte sind in den Ärztekammern zwangsverkammert, müssen also dort Mitglied sein. Deshalb ist für sie die ärztliche Berufsordnung der jeweiligen Ärztekammer verbindlich. Heilpraktiker und übrige Heiler kennen eine solche zwingende Organisation nicht; deshalb gibt es für sie keine allgemeinverbindlich definierten Berufsnormen.
Die Überzahl der Ärzte gegenüber Heilpraktikern und die Tatsache, dass sie organisatorisch in ihrer Ärztekammer zusammen gefasst sind, sowie eine Fülle von Rechtsprechung zum Thema "Ärztliche Behandlungsfehler" hat dazu geführt, dass sich diverse förmliche Verfahren bei Ärztefehlern, bzw. Anlaufstellen bei solchen Fehlern, entwickelten.
So sind die Krankenkassen verpflichtet, bei vermutetem ärztlichen Versagen der Kassenärzte die Patienten bei der Verfolgung ihrer Ansprüche zu unterstützen. Für Krankenhausbehandlungen sind Patienten-Fürsprecher in Krankenhäusern und bundesweit als öffentliche Anlaufstelle errichtet worden. Die Ärztekammern selbst haben Schlichtungsverfahren installiert. So sind von den Landesärztekammern in Zusammenarbeit mit den ärztlichen Haftpflichtversicherern sogenannte Schlichtungsstellen geschaffen worden.
Dort können Patienten beim Verdacht auf einen ärztlichen Fehler kostenfrei Anträge auf Durchführung eines Schlichtungsverfahrens stellen. Ihr Sachverhalt wird dann aufgenommen, von der Schlichtungsstelle aufgearbeitet und unabhängigen ärztlichen Gutachtern zur Beurteilung vorgelegt. Diese Gutachten sind durchaus recht gründlich, brauchbar und eine Hilfe für den Patienten, sich zu orientieren, ob sein Verdacht zutrifft oder nicht. Nach Erstellung des Gutachtens schließt die jeweilige Schlichtungsstelle der betreffenden Ärztekammer mit dem Votum ab. Entweder wird ein Behandlungsfehler bejaht und der Ärzteseite empfohlen, Schadensersatzverhandlungen anzubieten, oder dem Patienten davon abgeraten, die Sache weiter zu verfolgen. Bindend ist ein solches Votum nicht; Patienten wie Ärzte, bzw. deren Haftpflichtversicherungen können dennoch einen Gerichtsprozess über strittig gebliebenen Fragen herbeiführen.
Vergleichbare Strukturen fehlen bei den Heilpraktikern, was immer wieder daran liegt, dass sie nicht organisatorisch verbindlich zusammengefasst sind und keine einheitliche "Behörde" unterhalten wie die verkammerten Ärzte.
Dennoch treffen beide Gruppen inhaltlich - jedoch dem jeweiligen fachlichen Niveau angepasst - ähnliche Pflichten. Nicht nur der Arzt, auch der Heilpraktiker muss über mögliche Risiken seines Eingriffs informieren. Naturgemäß werden die Risiken beim Heilpraktiker geringer sein, dennoch werden auch Spritzen verabreicht und Verordnungen getätigt. Das größte Risiko bei Heilpraktikern ist sicherlich, eigene Grenzen zu unterschätzen und unzureichende Maßnahmen bei ernsthaften, u. U. medizinisch gut therapierbaren Erkrankungen, zu ergreifen. Die Haftung wird sich dann darauf beziehen, ob der Heilpraktiker dies nach seinem Kenntnisstand - der wesentlich undefinierter ist als bei Ärzten - erkennen musste, welche Befunde zu erheben, welche Diagnosen zu erstellen und welche unabdingbaren Maßnahmen zu ergreifen waren.
Ein Arzt, der Komplementärmedizin anbietet, wird immer im Hinterkopf die allgemeinen medizinischen Standards haben und erkennen, wann die reine Komplementärmedizin nicht ausreichend ist, bzw. sich zuvor über mögliche Diagnosen ärztlich sachgerecht klar werden. Irrt er sich oder unterlaufen ihm dann in der Behandlung Fehler, gilt das vorgegebene Raster, wie er ärztlich zu haften hat. Man wird den Behandlungsfehler klar fassen können und zwar gemessen am anerkannten wissenschaftlichen Standard ärztlichen Könnens. Und man wird wissen, welche Regularien greifen.
Fachgerechte Beratung des geschädigten Patienten wird entscheiden, ob ein Schlichtungsverfahren eingeleitet werden sollte, ob durch die Krankenkasse erstellte Gutachten hinreichend sind oder ein Rechtsstreit geführt werden muss. Im Falle des Heilpraktikerverschuldens sind mögliche Reaktionen des geschädigten Patienten unklarer; es wird im Zweifel nur der Gerichtsweg bleiben, wobei die Rechtsprechung zwar für Ärzte sehr gut Fehlervarianten und Vorwürfe erfasst hat, die Rechtsprechung in Bezug auf Heilpraktiker jedoch relativ dünn ist.
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