Interview

Profis akupunktieren nicht nebenbei!

Chancen und Gefahren der
Traditionellen Chinesischen Medizin - TCM
Hintergründe & Fakten

Interviewpartner und TCM-Experten:

Dr. med. Astrid Kohl, Fachärztin für Innere Medizin, Spezialistin für Traditionelle Chinesische Medizin - TCM und Qi Gong, u.a. Klin.TCM-Ausbildung in China, arbeitet seit 1999 in Berlin in eigener Praxis
Matthias Witt, Facharzt für Allgemeinmedizin., Klin. Ausbildungsleiter der AKAT (Akademie für Akupunktur, Traditionelle Chinesische Medizin - TCM, Akupunkturtestverfahren, Homöopathie) im Klinikum Chemnitz (universitäres Lehrkrankenhaus) 2000 - 2003, Fachbuchautor und jahrelange Dozententätigkeit im Bereich der Diagnostischen Akupunkturtestverfahren, TCM, Homöopathie, Sprechenden Medizin, arbeitet seit 1984 zusammen mit Ines Witt in einer privatärztlichen Schwerpunktpraxis für chronisch Erkrankte und Schmerzpatienten in Berlin
Interviewerin für REDAKTION MEDIZIN TRANSPARENT. Dr. med. Janine Ramolla

MEDIZIN TRANSPARENT: Akupunktur liegt voll im Trend. Was beinhaltet für Sie als TCM-Experten die Traditionelle Chinesische Medizin -TCM? Welche Bedeutung könnte sie für unsere westliche Medizin haben?
Kohl: Die Chinesische Medizin beinhaltet neben der sicher bekannten Akupunktur, die Kräutermedizin , die Ernährungslehre, die Massage (TUINA) und das Medizinische Qi Gong. Die Bedeutung der Chinesischen Medizin liegt in einer wunderbaren Ergänzung zur Schulmedizin; gerade im Bereich der funktionellen Beschwerden und der chronischen Erkrankungen. Die Domäne der westlichen Medizin bleibt bis auf Ausnahmen sicher die Therapie der akuten Erkrankungen.
Witt: Nun, die Traditionelle Chinesische Medizin unterscheidet sich im Denken und Handeln deutlich von der heutigen, naturwissenschaftlich fixierten Medizin. Vergleichbar ist die TCM eher mit der Medizin unserer westlichen Kultur im Sinne eines Hippokrates, Paracelsus oder Hahnemanns. Wie unsere alte Medizin betrachtet die TCM Beschwerden oder Erkrankungen als Störung des harmonischen Zusammenspiels des gesamten Körpers. Während die 'Schulmedizin' versucht Ursachen für Krankheiten zu benennen und zu bekämpfen, bemüht sich die TCM das harmonische Gleichgewicht wieder herzustellen, um damit die Selbstheilungskräfte des Körpers zu mobilisieren. Doch Vorsicht ! Beide Systeme in ihren ursprünglichen Ansätzen haben Vor- und Nachteile: Bei der alten TCM hat der ausgeprägte Sinn für das Wechselspiel der vernetzten Körperfunktionen dazu geführt, dass die alte TCM z.B. wenig Ahnung von der menschlichen Anatomie, Pharmakologie und Toxikologie hat, hingegen die 'Schulmedizin' sich zu sehr im Detail verliert und offensichtliche Zusammenhänge vernachlässigt.

MEDIZIN TRANSPARENT: Könnten Sie uns dafür ein Beispiel geben?
Witt: Gerne, stellen Sie sich bitte eine Patientin vor die Migräne hat, hin und wieder über Rückenschmerzen klagt, in ihrer Krankengeschichte häufiger Blasenentzündungen und kalte Füße hatte und die zum Beispiel auch Erkrankungen im Bereich der Eierstöcke oder Gebärmutter kennt. Diese Patientin hat in ihrem Krankheitsverlauf sicher schon den Neurologen und Allgemeinmediziner wegen der Migräne kennen gelernt, den Orthopäden wegen der Wirbelsäulenbeschwerden, den Urologen wegen der Blasenentzündungen und den Frauenarzt wegen der gynäkologischen Erkrankungen konsultiert.
Das ist diagnostisch gesehen auch richtig so. Das Problem ist, dass jeder dieser Kollegen gewöhnlich nur in seinem Fach behandelt und die Beschwerden als isoliertes Geschehen betrachtet. Der Ganzheitsmediziner, der zusätzlich noch ausgebildet ist in der modernen, westlichen TCM hört schon bei der Aufzählung der Erkrankung, dass unsere Patientin eine chronische Schwäche im Bereich des Nieren-Blasen-Systems hat. Dieses System vernetzt z.B. das Gehirn, die Hirngefäße, die Wirbelsäule, Niere, Blase wie auch Gebärmutter und Eierstöcke. Vereinfacht ausgedrückt: Erst wenn das vorgenannte Nieren-Blasen-System in seiner Gesamtregulation angeschlagen ist, kann es im Verlauf dieser vernetzten Organfunktionen zu den aufgezählten Erkrankungen kommen. Das heißt natürlich auch: stimuliere ich gezielt das geschwächte Organsystem kann ich Krankheiten behandeln und sogar vorbeugen, unterdrücke ich 'schulmedizinisch' dieses System, provoziere ich unter Umständen im Verlauf des angeschlagenen Systems weitere Erkrankungen!

MEDIZIN TRANSPARENT: Läßt sich diese letzte Behauptung auch an Ihrem Migränebeispiel belegen?
Witt: Als Ärztin wissen Sie, daß chronische Schmerzmitteleinnahme auch zum Nierenversagen führen kann. Migränepatienten, die herkömmlich behandelt werden, nehmen nicht selten über Jahre diverse Schmerzmittel, die ihr Nierensystem zusätzlich belasten...

MEDIZIN TRANSPARENT: Was aber nicht immer zum Nierenversagen führt. Malen Sie da nicht etwas zu schwarz?
Witt: Richtig, deswegen sprach ich von Belastungen des Nieren-Systems, die auch zum Nierenversagen führen können, die aber auch durch chronische Überlastungen andere Erkrankungen des Nieren-Systems begünstigen oder gar verursachen können. Was das 'Schwarzmalen' angeht, so spricht die Statistik, auf die unsere wissenschaftliche Medizin doch soviel Wert legt, eine deutliche Sprache: Todesursache Nummer 3 in Deutschland und den USA ist die Arzneimittelnebenwirkung bei sachgemäßer Verordnung und Anwendung. Platz 1 zur Erinnerung belegen Herzinfarkte plus Schlaganfälle und Platz 2 die Krebserkrankungen. Das spricht glaube ich für sich selbst.

MEDIZIN TRANSPARENT: Zurück zur alten TCM. Kann man die TCM, so wie sie heute in China gehandhabt wird, transkulturell 1:1 auf unsere Patienten oder auf unser Medizinsystem übertragen?
Kohl: Spricht man heute von der Chinesischer Medizin, muss man sich fragen, von welcher Medizin wir eigentlich sprechen: die Medizin aus den alten Klassikern, wo nur ein kleiner Teil überhaupt übersetzt und uns zugänglich ist, von der Medizin, die heute in China praktiziert wird oder von der Chinesischen Medizin, wie sie im Westen zu finden ist. Sicher ist die alte Traditionelle Medizin nur begrenzt zu übernehmen. Und das, was heute in China praktiziert wird, entspricht nicht unbedingt unserem ganzheitlichen Ansatz, den wirkliche TCM-Therapeuten im Westen versuchen anzuwenden. Wir brauchen eine Chinesische Medizin, die auf unsere Zeit und auf unsere heutige Lebenssituation angewandt werden kann.
Witt: In China wird traditionell das alte, von 'Meister zu Meister' übertragene Medizinwissen unwidersprochen angewandt. Das trifft zum großen Teil auch bei denen in Deutschland arbeitenden chinesischen Ärzten und TCM-Kliniken zu. Die Weiterentwicklung der TCM hat in den letzten 50 Jahren bevorzugt in Europa und Japan stattgefunden, wo Ärzte daran gewöhnt sind, Erkenntnisse zu hinterfragen und weiter zu forschen. Neue, wirksamere Akupunkturzonen wurden dabei entdeckt, anatomische und physiologische Zusammenhänge der TCM-Organsysteme wurden erforscht und westliche Akupunktur-Testverfahren optimieren heute die TCM-Diagnostik und Therapie gerade im Bereich chronisch Erkrankter. Die alte TCM 1:1 transkulturell übernehmen zu wollen, ist bei der Fülle der heutigen Akupunkturkenntnisse unangebracht und auch nicht ungefährlich. Weder bei der Akupunktur in der Stichtiefe, noch in der Reizstärke, noch in der Ernährung, noch in der Verabreichung alter chinesischer Rezepturen können wir die alten chinesischen Anwendungsbeschreibungen unkritisch übernehmen. Dass es auch hier fundamentalistische Strömungen gibt, muss einen nicht ernsthaft wundern.

MEDIZIN TRANSPARENT: Was unterscheidet das Denken und Handeln der chinesischen Ärzte von dem Denken und Handeln westlicher Ärzte ?
Kohl: Die Chinesische Medizin wird heute in China angewandt wie die westliche Medizin: Symptome werden behandelt ohne häufig den Menschen in seiner Lebenssituation zu sehen. Die westlichen TCM-Therapeuten versuchen natürlich auch die Symptome und die Erkrankung zu behandeln. Gleichzeitig bemühen sie sich in der Regel, den Menschen in seiner gesamten Situation und mit seiner gesamten Geschichte zu sehen und damit krankheitsauslösende Faktoren zu erkennen und zu verändern. Dahinter steht ein anderes Menschen- und Weltbild. Hier brauchen wir aber gerade für unsere Patienten, die „durch das Raster der Schulmedizin“ fallen, einen Ansatz, der die gesamte Lebenssituation, die berufliche und private Situation, ebenso wie die Umweltbedingungen mit einbezieht.

MEDIZIN TRANSPARENT: Während die TCM sich auf subjektive körperliche Untersuchung und Befragung des Patienten beschränkt, haben westliche Akupunkturtestverfahren in den letzten 50 Jahren das Diagnostik- und Therapiespektrum gerade bei chronischen Erkrankungen erweitert. Was ist das besondere dieser Weiterentwicklungen?
Witt: Wie Sie richtig bemerkt haben, verfügt die alte TCM mit der Untersuchung der Zunge, des Pulses, des Körpergeruchs, der Ausscheidungen u.a.m. über Diagnostikmöglichkeiten, die rein subjektiv und je nach Betrachter unterschiedlich gewertet werden können. Diese Erfahrung verwirrt seit jeher viele westliche Ärzte im Umgang mit chinesischen Kollegen. Auch Untersuchungsreihen in China ließen Eindeutigkeit in der chinesischen Pulsdiagnostik vermissen. Vor 50 Jahren begannen deswegen französische, deutsche und japanische Ärzte in Zusammenarbeit mit Kliniken und Physiologen elektronische Testverfahren an verschiedenen organbezogenen Akupunkturpunkten ähnlich wie beim EKG mit großem Erfolg durchzuführen. Über die Jahrzehnte entwickelte sich daraus der TCM-3-Stufentest, bei dem in Ruhe, unter Belastung und in der Erholungsphase die Regulationsmöglichkeit der verschieden Organsysteme getestet werden kann. Im Gegensatz zur herkömmlichen TCM-Diagnostik kann der erfahrene Arzt nun die primär belasteten bzw. erkrankten Organsysteme sicher orten und die Muster bei der Entstehung der Erkrankung eindeutig beschreiben und dokumentieren. Über die elektronische Testung am Akupunkturpunkt lassen sich auch Umweltbeeinflussungen, Arzneimittelnebenwirkungen, allergische Reaktionen oder virale Belastungen qualitativ nachweisen. Auch die ganzheitsmedizinische Behandlung hat sich mit diesen weiterentwickelten TCM-Verfahren verbessert. Die Rezeptur der Homöopathika, Allopathika, chinesischer Kräuter und Supplemente wird ausschließlich testkontrolliert verordnet. Damit steht der Patient auf der sicheren Seite und muß nicht lange an sich herumprobieren bzw. 'herumdoktern' lassen.
MEDIZIN TRANSPARENT: Wo liegen für Sie die Gefahren der chinesischen Medizin, insbesondere der chinesischen Kräutermedizin, wo es bekanntermaßen wiederholt zu Todesfällen gekommen ist?
Kohl: Die chinesische Kräutermedizin beinhaltet hochpotente wirksame Arzneimittel, die aber im Westen nicht als Arzneimittel anerkannt und zugelassen sind und werden. Weder die Inhaltsstoffe, was die erwünschten Wirkstoffe angeht, noch die Belastungen mit Schwermetallen oder Pestiziden sind bei chinesischen Kräuterrezepturen genau vorauszusagen. Negative Wirkungen sind meines Erachtens damit häufig nicht auszuschließen, gerade bei chronischen Patienten, die noch westliche Arzneimittel einnehmen. „Hauptsache, du schadest nicht“ muß immer als Grundvoraussetzung einer Therapie stehen, - das ist bei den chinesischen Kräuter nicht auszuschließen.
Witt:. In der Tat kommt es immer wieder zu ernst zu nehmenden Zwischenfällen wie auch Todesfällen bei der Verabreichung chinesischer Rezepturen. Das ist wieder ein Beispiel dafür, dass wir nicht alles 1:1 undifferenziert übernehmen können. Untersuchungen mit chinesischen Kräuter bei Hundertausenden von Anwendungen haben deutlich gezeigt, dass wir im Westen höchstens 10% der chinesischen Orginalrezeptur körperlich unbeschadet vertragen. Erschwerend kommt hinzu, dass wenig differenzierte Kenntnisse über die Zusätze, die Pharmakologie oder Toxikologie der chinesischen Arzneimittelrezepturen in Europa und selbst in China vorhanden sind. Ein chinesischer Kollege hat mir auf einem Kongreß einmal gesagt, dass er sich wundern würde, wie sehr man in Europa chinesische Heilmittel mit übersteigerten Erwartungen zu vermarkten versucht, wo gerade in Deutschland und Frankreich eine gesicherte Phytotherapie und Homöopathie große Erfolge bei chronischen Erkrankungen gezeigt haben.

MEDIZIN TRANSPARENT: In Deutschland sieht man sehr viele TCM-Kliniken entstehen oder viele Kliniken bemühen sich um eine TCM-Abteilung. Häufig werden chinesische Kollegen dazu geholt, um diese Therapie durchführen zu können, auch zusammen mit Dolmetschern. Was halten Sie von dieser Entwicklung? Brauchen wir diese oder haben wir auch in Deutschland genügend Ärzte, die das durchführen könnten?
Kohl: Sicher können wir viel von Chinesischen Ärzten lernen! Vertreten wir aber einen ganzheitlichen Ansatz in der Chinesischen Medizin, so ist es nach meiner Meinung schwierig für viele chinesischen Kollegen, da in China die chinesische Medizin nur sehr symptomorientiert angewandt wird. Außerdem würde ich das Sprachproblem nicht unterschätzen: um eine Beziehung zu einem Patienten auszubauen, um die Problematik einer Erkrankung mit ihrer Geschichte zu verstehen, brauche ich als Medizinerin die Sprache. Eine Kommunikation über einen Dolmetscher ist und bleibt begrenzt! Immer mehr Kliniken und Fortbildungsinstitute werben inzwischen mit einer Zusammenarbeit mit chinesischen Kliniken oder Ärzten. Eine Klinik in Niedersachen bietet zum Beispiel Online-Schaltungen zu einer Klinik in Peking an, der Patient kann direkt mit chinesischen Ärzten sprechen. Für mich sind solche Angebote nicht nur fragwürdig, sondern erscheinen mir eine reine Werbeangelegenheit zu sein: ein Patient wird alleine seine Krankheitssymptome über den Computer erzählen, seine Sorgen oder seinen Kummer, vielleicht wichtige Details zur Krankengeschichte oder zu aktuellen Situation sind nach meiner Meinung nicht mit Dolmetscher oder über Bildschirm mit einem fremden Arzt in fremder Sprache zu besprechen! Fast erscheint, unabhängig von der Frage der Schweigepflicht - von einem ganzheitlichen Ansatz her so ein Vorgehen absurd und in keiner Weise anzustreben. Wir brauchen Kollegen, die in beiden Systemen „zu Hause“ sind und die den direkten Kontakt zu dem Menschen noch suchen. Wir alle suchen doch eine „humane Medizin“, die den ganzen Menschen in seiner gesamten Situation versucht zu erkennen und zu behandeln.
Witt: Wir haben über 2000 deutsche ärztliche Akupunkteure mit Diplom-Abschluß oder Zusatzbezeichnung Akupunktur. Darüber hinaus haben sich mehrere hundert Ärzte in Deutschland auf dem Gebiet der modernen Akupunkturtestverfahren spezialisiert. Der Patient sollte sich bei seinem Arzt vor Behandlungsbeginn danach erkundigen! Was die chinesischen Kollegen mit oder ohne Sprachkenntnisse angeht, sollten Sie berücksichtigen, dass die TCM zu einem Wirtschaftsfaktor geworden ist. Ein traditioneller Arzt verdient in China ca. 200 Euro ein Chefarzt ca. 500 Euro. So preiswert bekommt in Deutschland eine Klinik keinen kompetenten deutschen Arzt unter Vertrag, der zu dem noch beides studiert hat: die klinisch westliche Medizin und die TCM. Zudem sind die Verträge mit den chinesischen Kollegen häufig auf zwei Jahre befristet, was eine medizinisch langfristige, sinnvolle Zusammenarbeit unmöglich macht.

MEDIZIN TRANSPARENT: Heißt das, das viele chinesische Ärzte in Deutschland ihr Glück versuchen?
Witt: Das würden Sie bei dem Gehaltsunterschied doch auch versuchen. Vereinfacht dargestellt konkurrieren in Deutschland auf dem explodierenden Gesundheitsmarkt zwei TCM-Modelle: das erste und medizinisch nicht unbedenkliche System baut auf der alten TCM auf, zieht Zentren mit chinesischen Ärzten und deren Dolmetschern hoch und agiert darüber hinaus zum Teil mit hohem Werbeaufwand. Wie gesagt, auch Kliniken bieten zum Teil dieses veraltete TCM-System aus wirtschaftlichen Gründen an, um ihren Privatpatientenanteil zu erhöhen und ihren Klinikstandort attraktiv zu machen. Das zweite System der modernen, westlichen TCM arbeitet im ärztlichen Bereich diagnostisch wie therapeutisch mit der modernen Weiterentwicklung der Akupunktur, bedient sich nur gesicherter TCM-Rezepturen in niedrigen Dosierungen, nutzt ansonsten im 'grünen Bereich der Medizin' standardisierte Phytotherapeutika, Homöopathika und Supplemente und legt großen Wert auf den Bereich der ‚sprechenden Medizin’. Der Werbeaufwand in diesem Zweig ist eher gering. Fazit: die moderne westliche Weiterentwicklung der TCM hat sich gerade bei der Behandlung von Migräne, Allergien, chronischen Schmerzuständen, Krebserkrankungen, MS u.a. bewährt. Der kommerzielle Kampf um den 'grünen Medizinmarkt' als ökonomische Nische ist abzulehnen und bringt die Akupunktur mittel- und langfristig in Verruf..

MEDIZIN TRANSPARENT: Frau Dr.Kohl, Sie sind als Spezialistin für Qi Gong bekannt. Bei welchen Indikationen bzw. bei welchen Erkrankungen könnte Qi Gong weiterhelfen?
Kohl: Qi Gong ist nach meiner Ausfassung einer der wesentlichen Therapiesäulen in Gesundungsprozess. Bei allen chronischen Erkrankungen, bei allen funktionellen Erkrankungen, - da, wo wir Schulmediziner „nichts finden“- , da vermag Qi Gong zum Teil Wunder zu bewirken. Ich kenne Patienten, die mit Qi Gong ihre Tumorerkrankung zum stoppen gebracht haben, die aus ihren Depressionen herausgekommen sind oder Schmerzen damit eindämmen können. Qi Gong als Ergänzung, als Therapie, die der Mensch selber machen kann und muß, ist für mich unverzichtbar.

MEDIZIN TRANSPARENT: Viele Anbieter drängen auf den TCM-Markt in Deutschland und auch die finanziell angeschlagenen gesetzlichen Krankenkassen bezahlen zur Zeit Akupunkturleistungen im Modellversuch. Macht das Sinn für Sie oder sind damit auch Gefahren verbunden?
Kohl: Um Chinesische Medizin sinnvoll im Westen einzusetzen, brauchen wir Ärzte, am besten Fachärzte, die sich gut in beiden Systemen auskennen. Ich würde den Patienten raten, ihre/n Ärztin/Arzt durchaus zu fragen, wo sie/er die Ausbildungen gemacht hat. Auch ob in der Praxis nur Akupunktur oder auch andere Anwendungen der TCM, war er länger in China oder lernt vielleicht die Sprache, ist er meistens gut ausgebildet. Jemand, der nichts zu verbergen hat, wird gerne Auskunft erteilen! Die Gefahr sehe ich heute darin, dass fast jeder 2. Arzt akupunktiert, aber häufig sich kaum mit der Chinesischen Medizin beschäftigt. Dies wird leider von den großen Akupunkturgesellschaften gefördert. Jemand, der nebenbei in seiner Kassenarztpraxis ein bisschen akupunktiert, hat häufig nicht die Zeit und vielleicht auch nicht die Ausbildung, eine ganzheitliche Chinesischen Medizin anzubieten.
Witt: Akupunktur zählt sicher zu den Methoden, die in fachkundige, ärztliche Hände gehört. Qualität ist in der privatärztlichen Versorgung chronisch Erkrankter im Bereich der Akupunktur, TCM, oder der Akupunkturtestverfahren nicht das Problem! Gerade außerhalb der kassenärztlichen Versorgung haben qualifizierte Ärzte die Ausbildung, die Zeit ('Sprech-Stunde!') und eine oft langjährige methodische Erfahrung mit vielen Tausenden von Patienten. Was die Akupunkturleistungen der gesetzlichen Krankenkassen angeht - tun Sie das wirklich? Um Akupunktur ärztlich erfolgreich und ich betone 'erfolgreich' durchführen zu wollen, bedarf es der Krankengeschichte, der körperlichen Untersuchung nach den Regeln der TCM, der Anwendung ‚Diagnostischer Akupunkturtestverfahren’ und der Akupunktur. Das dauert mindestens 30 bis 40 Minuten, wenn Sie es 'lege artis' ausführen wollen. Akupunkturkostenbeteiligung bei ausbehandelten Schmerzpatienten durch die gesetzlichen Krankenkassen ist als Modellversuch gestartet worden, an dem nur Ärzte im Versorgungssystem der gesetzlichen Krankenkassen beteiligt sind. Erfahrene privatärztliche Akupunkteure werden nicht berücksichtigt. Jeder weiß, daß 'Kassenärzte' vom täglichen Durchfluss hoher Patientenzahlen im '5-Minuten-Takt' leben müssen. Wenn die kassenärztlichen Kollegen dann u.U. 50,- DM für die halbstündige Akupunktursitzung erhalten und vorher noch Anträge zur Akupunkturerstattung begründen müssen, dann rechnet sich das betriebswirtschaftlich schon einmal nicht. Völlig desillusioniert behaupten dann häufig Patienten nach solchen Schnellakupunkturen, dass Akupunktur in ihrem Fall überhaupt nicht wirkungsvoll gewesen sei. Kein Wunder, denn die moderne chinesische Medizin wie auch andere komplementärmedizinische Verfahren praktiziert man nicht mal so auf die Kürze. Der werbewirksame Modellversuch der gesetzlichen Krankenkassen ist medizinisch recht fragwürdig: Wie können die kurzzeitigen Behandlungen von Kassenärzten, die am wenigsten Zeit, Erfahrung und in so machen Fällen auch an Weiterbildungsqualität in diesem Bereich haben, ein Maßstab für die Qualität von Akupunktur sein? Auf den Punkt gebracht: Methodik und System stimmen hier nicht überein!
MEDIZIN TRANSPARENT: Vielen Dank für das Gespräch.