„Pack die Badehose ein, nimm dein kleines Schwesterlein, und dann nichts wie ab zum Wannsee…“ – das war Freizeit gestern. Heutzutage spielt sich das Leben von Kindern und Jugendlichen immer seltener im Freien ab. Nach der Schule sind oft Computer, Fernseher und Spielekonsole DIE Freizeitpartner schlechthin – mit teilweise bedenklichen Auswirkungen und Entwicklungsstörungen.
Die Zusammenhänge zwischen übermäßigem Konsum der neuen Medien und Schul- bzw. sozialen Problemen sind noch nicht ausreichend untersucht, doch aktuelle Studien sind alarmierend. So hielten Spieler gewalttätiger Videogames Gewalt für normal und seien weitaus feindseliger und weniger versöhnlich als Spieler gewaltfreier Spiele, berichtet die Zeitschrift „MMW – Fortschritte der Medizin“ (Nr. 23, 2009, 151. Jg.) Auch das Interesse an Waffen werde so bei einigen Spielern geweckt
Ähnliche Störungen werden bei Rollenspielen für junge Mädchen (wie etwa „Miss Bimbo“) befürchtet, die Ideale wie Schönheit, Reichtum, Ruhm und Coolness in den Vordergrund stellen. Dabei kann sich die virtuelle Figur sogar durch Hungern einen Sieg im Schönheitswettbewerb erkämpfen. Die Signale, die derartige Games aussenden sind höchst fraglich und können schon in jungen Jahren falsche Vorstellungen vom eigenen Körper auslösen. Das vermittelte Körperbild ist extrem unrealistisch und bringt eine veränderte Selbstwahrnehmung bei den Userinnen hervor. Magersucht und Bulimie können die Folge sein, aber auch vor chirurgischen Eingriffen machen junge Mädchen nicht halt, wie die steigenden Zahlen der Schönheitsoperationen zeigen.
Das virtuelle Ich bestimmt das Selbstbewusstsein der jungen Spieler. Die reale Welt verschwindet hinter der Spielewelt. Kontakte und Aktivitäten mit Gleichaltrigen werden
zugunsten fiktiver Freunde im Web vernachlässigt oder gar verdrängt. Schließlich gilt es doch als ‚total cool’ mit Kumpels zu chatten oder sich mit Spielern aus den USA, China, Japan oder sonst wo auf der Welt auf virtuellen Plätzen zu treffen, statt sich mit Schulkameraden zu verabreden, in Sportvereine einzutreten oder sich eben auf dem Spielplatz zu vergnügen.
Doch nicht nur der Verlust sozialer Kontakte ist ein Problem. Durch den freien und unkontrollierten Zugang zum Internet erhalten Kinder und Jugendliche Zugriff auf Seiten mit pornographischem Inhalt – diese sind wenig bis gar nicht geschützt, oft genügt ein lapidarer Klick auf den Button „Ja - Ich bin 18“ oder ähnliches. So erfahren sie Sexualität als Konsumgut, dessen man jederzeit und nahezu überall habhaft werden kann. Ganz zu schweigen von der Reduzierung der Frau auf ein Objekt. Laut „MMW“ könnten die Folgen „eine Entkopplung von Beziehung und Sexualität und schließlich eine Verrohung der Sexualität“ sein. Verliebtsein, Liebe, Nähe, zwischenmenschliche Gefühle – all das bleibt auf der Strecke zugunsten einer funktionalisierten und mechanisierten Sexualität.
Von einer Internet- bzw. Mediensucht spricht man unter anderem, wenn ein chronisch übermäßiger Konsum von mehr als 4 h täglich vorliegt, ein Kontrollverlust erfolgt, d.h. der Konsum regelmäßiger und länger erfolgt, als vorgesehen,eine Einengung des Verhaltensraums geschieht, d.h. das Medium nimmt einen zentralen Platz im Leben ein und andere (wichtige) Aktivitäten werden zugunsten des Mediums reduziert oder gar aufgegeben,eine Fortführung trotz negativer Konsequenzen (wie Vernachlässigung schulischer Aufgaben, Gefährdung sozialer Beziehungen, körperliche
Schäden) erfolgt,Entzugserscheinungen auftreten (Unruhe, Nervosität, Unzufriedenheit, Aggressivität).Untersuchungen zufolge leiden Schulkinder, die einen erhöhten Internet- bzw. Videospielkonsum haben, häufiger unter dem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS). Ferner unterstützen auch Fernsehgeräte im Kinderzimmer diesen Effekt und begünstigen Sprachentwicklungsstörungen bei Vorschulkindern. Weiterhin wirkt sich zuviel Fernsehen sogar auf die weitere Entwicklung nach der Einschulung aus, zieht schwächere Leistungen in den ersten Schuljahren, ja sogar spätere Schulverweigerungen oder –abbrüche nach sich. Ebenso sinkt laut Statistik die Wahrscheinlichkeit ein Studium zu beginnen. Hintergründe dieser fatalen (möglichen) Folgen sind: beeinträchtigte Kommunikation weniger Zeit für Lesen oder kreative SpieleBeeinträchtigung der Quantität und Qualität des SchlafsBeeinträchtigung der Gedächtnisfunktion.Sprache, Mimik, Emotionen, Fantasie und Kreativität bleiben auf der Strecke.
Hier sind also in erster Linie die Eltern gefragt, die ihren Kindern einen verantwortungsbewussten und sinnvollen Umgang mit den neuen Medien beibringen müssen. Sinnloses „Parken“ vor dem Fernseher / Computer / Videospiel darf nicht geschehen, ebenso wenig wie Fernsehen etc. als Belohnung oder Entzug als Bestrafung einzusetzen. So wird den neuen Medien zuviel Bedeutung zugemessen. Ferner rät die Zeitschrift „MMW“, dass Schulkinder höchstens 1-2 h fernsehen sollten (möglichst nicht allein) und Fernsehgeräte nicht ins Kinderzimmer gehören, da so der Konsum ungehindert steigt. Kinder unter 10 Jahren sollten auch nicht allein im Internet surfen.
Wird dann noch eine kritische Auseinandersetzung mit den Themen (aus Fernsehen, Internet, Spielen) geübt, kann ein positives Erleben für Kinder und Jugendliche erreicht werden, dass Motivation, Konzentration, Spaß am Lernen, Aufmerksamkeit und Kreativität fördert.
… und dann bleibt sogar viel Zeit zum Planschen im Wannsee…
Artikel: Jana Walter